NES Open Tournament Golf


von Phil
14.10.2017

Mit NES Open Tournament Golf brachte Nintendo 1991 bereits das zweite eigens entwickelte Golfspiel auf den Markt. Nachdem man im Vorgänger mit dem schnörkellosen wie passenden Titel „Golf“ noch rätseln durfte, ob dort tatsächlich Mario den Golfschläger schwingt, ließ Nintendo in NES Open Tournament Golf keine Zweifel offen. Mario und Luigi (letzterer für den optionalen zweiten Spieler reserviert) werden von den Prinzessinnen Peach und Daisy bei ihren Aktivitäten angefeuert, und selbst Marios ehemaliger Erzfeind Donkey Kong gibt sich als Kassenwart des örtlichen Golfclubs die Ehre. Sonderlich aufdringliches Mario-Flair versprüht der Titel allerdings nicht. Das Geschehen spielt so etwa nicht im Pilzkönigreich, sondern auf Kursen rund um den uns wohl vertrauten Globus, und irrwitzige Items und Spielmodi wie aus späteren Titeln der Mario-Sportspiele sucht man vergeblich. Dies ist aber nicht weiter schlimm, da es sich bei NES Open Tournament Golf um eine hochwertige und sympathische Simulation handelt, die auch ohne solchen Schnickschnack zu begeistern weiß. Doch der Reihe nach.

In drei verschiedenen Spielmodi warten drei Kurse à 18 Löcher darauf, von Mario gemeistert zu werden. Offenbar ist dieser dem Einsammeln von Münzen überdrüssig geworden, denn das übergeordnete Ziel ist es, eine Preisgeldsumme von einer Millionen US-Dollar zu verdienen. Im normalen „Stroke Play“ absolviert man alleine einen kompletten Kurs und kann so am eigenen Handicap arbeiten. Bei guten Leistungen steigt man im Rang auf. Dieser wird auch auf dem Titelbildschirm angezeigt und ermöglicht es dem Spieler, höhere Preisgelder aus den Turnieren mit nach Hause zu nehmen. Vom Beginner über Amateur und Semi-Professional bis hin zum Professional sind je nach eigener Leistung mindestens sechs volle Kurse im Stroke Play zu absolvieren, um den höchsten Rang zu ergattern.

Im Match Play liefert man sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem Opponenten und misst sich auf jedem Loch eines Kurses separat, anstatt am Ende die Gesamtschlagzahl über alle Löcher hinweg zu vergleichen. Die Regeln sind simpel: Ein Loch gewinnt, wer dieses mit weniger Schlägen beendet. Bei gleich vielen Schlägen geht das Loch unentschieden aus, und wer nach spätestens 18 Löchern die höhere Anzahl an Runden für sich entscheiden konnte, siegt. Neben einem Match Play mit Marios Bruder Luigi warten nach und nach vier weitere Herausforderer auf ihren Einsatz. Warum man allerdings gegen die eher generisch anmutenden CPUs Steve, Mark, Tony und Billy antritt, und nicht etwa gegen Altbekannte aus Marios Abenteuern, bleibt wohl auf immer Nintendos Geheimnis.

Im Tournament-Modus misst man sich, wie der Name schon vermuten lässt, in Turnieren - entweder im klassischen Stroke Play (Vergleich der Gesamtschläge über einen kompletten Kurs) oder im Match Play. Je nach Rang des eigenen Handicaps und der erzielten Platzierung wird man mit einem Preisgeld belohnt, welches man so dann in die vertrauenswürdige Obhut von Kassenwart Donkey Kong übergeben darf. Insgesamt nehmen 37 Golfer an jedem Turnier teil, und in der Regel wird man über die 18 Löcher unter Par spielen müssen, um ganz vorne auf dem Ranglistentableau zu landen. Zwischendurch gibt es auf manchen Löchern immer mal wieder eingestreute Herausforderungen, mit denen man sich sein Preisgeld weiter aufbessern kann. Der weiteste Abschlag etwa oder die geringste Distanz zum Loch nach einem Schlag wird hierbei zusätzlich belohnt. Sofern man sich für die Match Play Variante des Turniers entschieden hat, wird man des Weiteren von Computergegnern dazu herausgefordert, auf einzelnen Löchern auf ein besseres Abschneiden als der Herausforderer zu wetten. Ist man erfolgreich, lässt sich diese Wette sogar über weitere Löcher fortsetzen, um das Preisgeld in die Höhe zu treiben. Es besteht aber ebenfalls die Gefahr, die bereits verdiente Summe wieder zu verlieren.

Egal in welchem Modus man sich befindet, so bleibt das eigentliche Gameplay hiervon unberührt. Die bereits im Vorgänger „Golf“ implementierte Schlagleiste kehrt in NES Open Tournament Golf zurück und hat sich bis heute als echter Genrestandard etabliert: Bei Abschlägen läuft nach dem ersten Druck auf den A-Knopf ein Punkt auf der Leiste nach links, bis man mit einem zweiten Drücken die Schlagkraft festgelegt, woraufhin der Punkt wieder nach rechts läuft, wo mit einem letzten Knopfdruck so genau wie möglich eine Markierung getroffen werden sollte, was die Genauigkeit des Schlags beeinflusst. Hört sich zunächst kompliziert an, hat man das Timing aber erst einmal raus, schlägt man die Bälle mit gewünschter Härte ohne Ausschlag nach links oder rechts aufs Grün. So zumindest die Theorie. Weitere Elemente wie die Wahl des richtigen Schlägers (nicht jeder Untergrund ist für jeden Schläger gleich gut geeignet), die korrekte Berücksichtigung des Windes und die Platzierung eines Spins auf dem Ball sorgen für Spieltiefe und Anspruch. Anders als in neueren Golfspielen gibt es jedoch keine Anzeige, wie weit der Ball voraussichtlich fliegen wird, was so mancher Anfänger schmerzlich vermissen wird. Ein mehr oder weniger gelungenes Risk-and-Reward-Element ist die Auswahl der Schlaggeschwindigkeit, bei der man zwischen drei Stufen wählen kann. Je höher die vorab ausgewählte Geschwindigkeit, desto schneller bewegt sich der Punkt auf der Schlagleiste und desto schwieriger wird es, punktgenaue Treffer zu landen. So drischt man den Ball auf der höchsten Stufe zwar vermeintlich weiter, allerdings besteht auch erhöhte Gefahr, dass man ihn mit voller Gewalt abseits des beabsichtigten Pfades prügelt. Andererseits können die gewonnenen Extra-Yards an Entfernung mitunter darüber entscheiden, ob man auf einem 5er-Loch einen „Eagle“ (zwei Schläge unter Par) überhaupt in Angriff nehmen kann, oder nicht.

Beim Putten entfällt der dritte Schritt aus der Abschlagsequenz, so dass die Genauigkeit des Schlages nach rechts oder links nicht bestimmt werden muss. Die Schlagkraft möchte dafür umso präziser gewählt sein. Da die Darstellung von Höhenunterschieden auf dem Grün lediglich durch kleine und große Pfeile signalisiert wird, entpuppt sich das Einlochen zu Beginn als relativ schwierig. Erst mit einiger Erfahrung wird man den korrekten Winkel gepaart mit der optimalen Schlagkraft zunehmend besser einschätzen können.

Wie sich schon erahnen lässt, ist der Schwierigkeitsgrad von NES Open Tournament Golf nicht ohne: Gerade zu Beginn seiner Profigolfer-Karriere fragt man sich, wie es einem überhaupt gelingen soll, irgendein Loch mit der vorgegeben Anzahl Schläge abzuschließen. Deutlich abgeschlagene Turnierplatzierungen werden zunächst eher die Regel als die Ausnahme sein. Übung macht jedoch auch hier den Meister, und nach zwei, drei Stunden Spielzeit entwickelt man ein immer besseres Gefühl für die feinen Mechaniken des Spiels. Nichtsdestotrotz: Auch wenn man meint, alle Elemente wie Wind, Schlagweite und Spin gemeistert zu haben, wird man auch weiterhin am einen oder anderen Loch extrem schlecht aussehen. Gerade auf den Löchern der Japan- und UK-Kurse gibt es einfach zu viele mögliche Fehlerquellen, als dass man jeden Schlag perfekt platzieren wird. Und hat man erst einmal einen Ball ins „Out of Bounds“ (d.h. abseits des Kurses) oder ins nächste Wasserhindernis befördert, kommt man für das jeweilige Loch auf keinen grünen Zweig mehr. Tatsächlich können einem wenige Fehltritte auf einzelnen Löchern einen bis dahin gelungenen Turnierdurchgang komplett verhageln, was mitunter für Frust sorgt.

Doch dem Golferherz werden auch abseits des Grüns jede Menge Möglichkeiten geboten, sich diesen Frust und die Zeit zu vertreiben: Neben den drei erwähnten Spielmodi lassen sich im Clubhaus der eigene Name registrieren, Schläger aus dem eigenen Portfolio austauschen, und diverse Optionen zur eigenen Spielweise ändern. Außerdem darf man dank der batteriegestützten Speicherfunktion des Spiels diverse Statistiken bewundern, sein bislang verdientes Preisgeld einsehen, den Namen aller an Turnieren teilnehmenden Golfer verändern, ein Training durchlaufen und sogar seine besten Schläge wie Hole-in-Ones noch einmal per Replay-Funktion Revue passieren lassen. All dies war zu Zeiten des NES keine Selbstverständlichkeit und trägt enorm zur potentiellen Langzeitmotivation des Titels bei. Es wird dem Spieler erfolgreich suggeriert, Mitglied in einem echten Golfclub zu sein, und der eigene Fortschritt der Profikarriere wird fortlaufend dokumentiert und festgehalten. Zu verdanken ist der Umfang des Spiels übrigens Satoru Iwata höchstpersönlich, der diesen mittels einer eigens für den Titel entwickelten Kompressionstechnik ermöglichte. Dass im Endeffekt "nur" drei Kurse à 18 Löcher zur Verfügung stehen, für die man sich spätestens nach dem dritten Bespielen entsprechende Taktiken zurechtgelegt hat (die in der Umsetzung aber selbstverständlich herausfordernd bleiben), wird durch die Fülle an Aktivitäten im Clubhaus somit ein wenig abgefedert.

Der Wiederspielwert des Titels wird etwas künstlich hoch gehalten durch das Endziel, eine Million US-Dollar Preisgeld einzuheimsen. Dies könnte je nach Fertigkeiten des Spielers tatsächlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Wie viel Zeit man letzten Endes in den Titel investiert, nachdem man alle Löcher ein paar Mal bespielt hat, ist somit ganz einem selbst und nicht zuletzt dem eigenen Ehrgeiz überlassen. Das Spiel lädt definitiv immer mal wieder zu einem Durchgang ein und motiviert langfristig, sofern man denn die Eingewöhnungsphase ins Gameplay übersteht und etwas mit dem Gerne anfangen kann. Wie im echten Leben ist der Golfsport nun mal nicht jedermanns Sache. Hat man jedoch eine zweite Person für diesen gehobenen Rasensport gewinnen können, so trägt der abwechselnde Zweispielermodus ebenfalls dazu dabei, das Spiel des Öfteren in den Modulschacht wandern zu lassen.

Was die Grafik betrifft, merkt man, dass der Titel in der späten NES-Ära erschienen ist. Die optische Aufmachung ist durchweg gelungen und die zahlreichen Zwischensequenzen und Animationen der Figuren sind liebevoll gestaltet - nicht anders zu erwarten bei Sprites von Eiji Aonuma in seinem ersten Job bei Nintendo. Nie war die Golfwelt auf dem NES farbenfroher als in NES Open Tournament Golf. Sowohl Vogel- als auch Abschlagsperspektive sind gleichzeitig detailliert aber auch sauber genug gehalten, um fokussiertes Gameplay zu ermöglichen. Bemerkenswert ist, dass alle aus der Vogelperspektive angedeuteten Hinderniselemente wie Bäume, Wasser und hohes Gras stets räumlich korrekt angeordnet werden, sobald wieder in die Abschlagsperspektive gewechselt wird. Besondere Erwähnung verdienen die für NES-Verhältnisse geradezu beeindruckenden, bildschirmfüllenden Animationen des Golfballs bei Annäherungen an das Loch oder Landungen des Balls in einem Bunker (siehe Screenshots).

Musikalisch plätschern je nach Kurs verschiedene Melodien vor sich hin, die zwar die heitere Grundstimmung unterstreichen, aber auch nicht an die gewohnte Qualität von Kompositionen aus Marios herkömmlichen Abenteuern heranreichen. Die Unterbrechung der Musikstücke nach jedem Abschlag erhöht die Spannung, wo der Golfball wohl letzten Endes landen mag. Dabei werden durch die plötzliche Stille auch die satten und für NES-Verhältnisse hochwertigen Soundeffekte stärker akzentuiert, etwa wenn der Ball ungewollt einen Baum streift, oder bei einem Aufprall im Sandbunker.

Alles in allem kann man mit NES Open Tournament Golf nichts falsch machen, sofern man ein Grundinteresse für den Golfsport als solchen mitbringt. Dann sind nach einer Eigewöhnungsphase unzählige unterhaltsame Stunden garantiert. Wer nicht genug vom NES-Golfspektakel bekommen kann, ist übrigens mit dem Famicom-Titel „Mario Open Golf“ bestens beraten. Dieser Titel läuft auf der selben Engine wie NES Open Tournament Golf, bietet mit fünf verschiedenen Kursen aber einen deutlich größeren Umfang. Auch wurden für die uns bekannte westliche Variante des Spiels diverse Löcher entschärft, was Hindernisse und Kursdesign angeht - getreu der damaligen Einschätzung Nintendos, dass westliche Gamer allzu großen Herausforderungen in Videospielen einfach nicht gewachsen sind.


Wertung


8/10

Kommentare



Phil
Als großer Fan von Mario Golf auf dem Nintendo 64, Game Boy Color und GameCube habe ich mich seinerzeit sehr darüber gefreut, im Rahmen des Nintendo 3DS Ambassador-Programms unter den zehn kostenfrei zur Verfügung gestellten NES-Titeln zur Entschädigung der sehr frühen Preisreduzierung des 3DS auch NES Open Tournament Golf zu erhalten. So konnte ich diesen heimlichen Vorgänger der Mario Golf Serie endlich selbst im gebührenden Maße nachholen. Ich muss allerdings gestehen, dass mir der Einstieg vermutlich auch aufgrund meiner Erfahrungen mit den etwas benutzerfreundlicheren aktuelleren Golfspielen zunächst nicht ganz leicht gefallen ist - zu unbarmherzig wurde ich auf meinen ersten Runden auf die allerhintersten Ränge der Golfturniere verwiesen, mit Abständen zum vorletzten Teilnehmer, die sich gewaschen hatten. Mir persönlich ist der Titel insofern ein bisschen zu rigoros und kleinlich, was Auswirkungen von bereits kleineren Abweichungen vom jeweils perfekten Schlag angeht. Kleinste Fehler haben oftmals bereits mehrere Zusatzschläge zur Folge und ließen mich nicht nur einmal laut aufstöhnen. Auch fehlt mir die eine oder andere aus späteren Gerne-Vertretern bekannte Erleichterung der Distanzeinschätzung, sowohl beim Abschlag als auch beim Putten - alles könnte noch ein bisschen benutzerfreundlicher sein. Nichtsdestotrotz habe ich mich letzten Endes in den Titel reingekniet und konnte mein Handycap doch noch verbessern. Und so wird der Titel auch weiterhin regelmäßig als kurzweiliger Zeitvertreib auf dem Handheld genutzt.



Yamato

NES Open Tournament Golf ist nicht nur das mit Abstand beste Golfspiel auf dem NES, sondern auch eines der besten und wegweisendsten Video-Golfspiele überhaupt. Was will man dem Spiel schon ernsthaft ankreiden? Im Vergleich mit den neueren "Mario Golf"-Spielen ist es zwar weitaus nüchterner präsentiert und zu Beginn vielleicht auch etwas anspruchsvoller, aber gerade durch die Abstinenz von irrwitzigen Items und Spielmodi auch angenehm realistisch, ohne dabei wie andere alte Golfspiele zu überfordern. Insgesamt ähnelt NES Open Tournament Golf mit seiner freundlich-realistischen Präsentation und Lernkurve auch eher den späteren "Everybody's Golf"-Spielen als der "Mario Golf"-Serie. Durch das perfekt ausbalancierte Gameplay sowie die klare und sympathische Präsentation ist NES Open zudem gut gealtert. Dabei spielen auch die durchweg abwechslungsreichen und einprägsamen Golfkurse eine wichtige Rolle. In anderen Golfspielen wirken die Kurse oft sehr ähnlich, sodass man nach ein paar Löchern mitunter schon keine Lust mehr hat. Hier sind die jeweils 18 Löcher dagegen eher kurzweilig zu spielen. Mit etwas Übung entfaltet der Titel einen enormen Ansporn, die insgesamt 54 Löcher immer besser meistern zu wollen - nicht zuletzt durch die Replays mit Speicherfunktion kann dies motivieren. NES Open landet daher wie kaum ein anderes Modul immer wieder in meiner NES-Konsole.



Seppatoini
Eigentlich hab ich mit Golf ja nicht allzu viel am Hut und die meisten Videospielumsetzungen des edlen Sports öden mich an. Doch nicht so NES Open. 54 verschiedene Löcher, Speichermöglichkeit, diverse Spielmodi und eine einfache Bedienung machen den Titel zu einem der besten Sportspiele auf dem NES. Und zusammen mit einem Freund macht das Spiel gleich doppelt Spaß. Ein Pflichttitel für alle NES-Fans.