Chip 'n Dale - Rescue Rangers 2


von Phil
29.09.2012

Fatcat ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und hat die die Urne des Pharaos gestohlen. Durch das Freilassen der darin enthaltenen Geister plant er nun ein weiteres Mal, die Weltherrschaft an sich zu reißen – wie auch immer das aus Sicht eines zu dick geratenen Hauskaters aussehen mag. Grund genug für die Rescue Rangers rund um Chip und Chap aber, die Verfolgung aufzunehmen und ihrem Erzfeind erneut das Handwerk zu legen. Und so stürzen sich Disneys beliebte Erdhörnchen ein weiteres Mal in ein actiongeladenes Platformer-Abenteuer auf dem Nintendo Entertainment System.

Am Grundprinzip hat sich nicht viel gegenüber dem erfolgreichen Vorgänger geändert. Noch immer hüpft man wahlweise allein oder kooperativ zu zweit durch diverse Schauplätze: Von der Großküche und einem eisigen Tiefkühllager über ein spukendes Geisterhaus verschlägt es das Heldenduo bis in einen Vergnügungspark, der über eine Westernstadt, einen Glockenturm und eine Zukunftswelt verfügt. Um sich den zahlreichen Schergen Fatcats zur Wehr zur setzen, dienen die überall in den Levels herumliegenden Kisten als Wurfgeschosse. Nebenher werden in bester Jump ’n’ Run-Tradition allerlei Items wie Kärtchen, Eicheln und Sterne gesammelt, um die Continue-, Lebens- bzw. Energievorräte aufzustocken. Mit bis zu fünf Herzen sind die zwei von ihren Fähigkeiten her identischen Helden jeweils ausgestattet und entsprechend viele Gegentreffer verkraften sie bis zum Ableben.

Nach wie vor besteht jede Stage aus mehreren mehr oder weniger kurzen Abschnitten, die linear wie ein Hindernisparcours durchlaufen werden. Ab und an warten Sonderausgänge darauf, von den Nagern entdeckt zu werden, wo man von weiteren Teamkollegen der Rescue Rangers mit Extraenergie ausgestattet wird. Und auch leichte, wenn auch optionale Puzzleeinlagen sind hier und da eingestreut – seltene 1-Up-Sterne winken in der Regel als Belohnung. So darf etwa mit einem Magnet und einer Eisenkugel herumhantiert werden, um einen erhöhten Plattformvorsprung erklimmen zu können. Schafft man es bis ans Ende eines Levels, so wartet zumeist ein Bosskampf. Hier geht es um das Durchschauen bestimmter Bewegungsabläufe der Obermotze und entsprechend abgepasstes Ausweichen und Angreifen. Als kleines Bonbon winkt vor dem folgenden Level noch ein Bonusabschnitt, in dem man sein Wurfgeschick erneut unter Beweis stellen darf, um etwa weitere 1-Ups einzusacken.

Was hat sich also konkret gegenüber dem Vorgänger getan? Es sind eher viele Kleinigkeiten, in denen sich Chip und Chaps zweites Abenteuer auf dem NES von ihrem ersten unterscheidet. So sind beispielsweise die Endkämpfe sehr viel abwechslungsreicher gestaltet als im Vorgänger, was angesichts deren Monotonie aber auch sicherlich niemanden bei Capcom vor größere Schwierigkeiten bei der Konzipierung der neuen Showdowns gestellt hat. Oftmals benötigen die Oberschurken jedoch leider arg viele Treffer, bevor sie das Zeitliche segnen, und so wirken die Bosskämpfe teils ein wenig langatmig. Des Weiteren setzte Capcom bei Rescue Rangers 2 auf mehr Zwischensequenzen, die das Gameplay offensichtlich auflockern sollten. Die in diesen Sequenzen präsentierte Laberei ohne echten Inhalt bereichert das Spiel aber nicht wirklich und wie so oft gilt: Weniger ist manchmal mehr. Die Story ist ohnehin so belanglos, dass die Sequenzen eher nerven und nur vorm Spiel ablenken, so dass man sich wünscht, dass sich wirklich alle und nicht nur einige von ihnen per Knopfdruck überspringen lassen würden. Auch gibt es keine freie Levelauswahl mehr in Form einer Oberweltkarte wie im ersten Teil, allerdings stellt dies auch keinen wirklichen Verlust dar. Lediglich einmal im bereits erwähnten Vergnügungspark angekommen, kann man die drei dort angesiedelten Stages in beliebiger Reihenfolge absolvieren.

Nun aber zum vielleicht größten Kritikpunkt an Rescue Rangers 2: Für Abwechslung und ausgefallene Settings ist wie schon oben erläutert gesorgt, allerdings kann man dem Titel durchaus ankreiden, dass die Levels nicht so konsequent wie im Vorgänger aus der Sicht von winzigen Nagetieren dargestellt werden – also als ziemlich überdimensionierte Umgebungen, die von Menschen für Menschen erschaffen wurden, und in denen sich die winzigen Protagonisten auf ihre eigene Art und Weise zurecht finden müssen. Außerdem könnten einige Levels vom Design her durchaus einem Teil der Mega Man Serie entstammen. Insbesondere in den späteren Stages wie der Future World oder in Fat Cats Versteck könnte man sich durchaus vorstellen, diese mit Capcoms blauen Bomber anstatt mit Disneys Nagerduo unsicher zu machen, da sie einfach nicht sonderlich stark an die Chip und Chap Zeichentrickserie erinnern.

Aber genug genörgelt: Es haben sich im direkten Vergleich zum Vorgänger auch viele Dinge zum Positiven gewendet! So wirkt das Gameplay im zweiten Teil von den Platformer-Elementen her etwas vielseitiger. So wird man von Windstößen durch die Lüfte gewirbelt, rutschige Oberflächen, bewegliche Plattformen sowie Laufbänder, Laserbarrieren und Stampfer sorgen für zusätzliche Herausforderungen und sogar eine Lorenfahrt möchte von Chip und Chap gemeistert werden, was sich aufgrund der fragwürdigen Steuerungsvariante in dieser einen Sequenz allerdings eher als frustig herausstellt. Nichtsdestotrotz wirkt dieses Vehikel als sehr viel gameplayrelevanter als die alibimäßige Bootsfahrt im ersten Teil.

Zu loben sei an dieser Stelle auch noch einmal die (bis auf bei der besagten Lorenfahrt) makellose Steuerung, die sogar noch präziser als im ersten Teil wirkt. Nicht unbedingt für ein erfolgreiches Durchspielen notwendig, aber dennoch hilfreich sind zusätzliche Moves der Erdhörnchen, die sie seit ihrem ersten NES-Abenteuer hinzugelernt haben: so können Boxen nun auch diagonal geworfen werden, und mit entsprechendem Anlauf wird ein Wurf nun mit noch mehr Power und entsprechender Durchschlagskraft ausgeführt.

Für erfahrene Spieler dürfte es kein Problem darstellen, Rescue Rangers 2, ganz im Stile des Vorgängers, an einem Nachmittag durchzuspielen. Hierzu tragen sowohl der knappe, aber ausreichende Umfang von neun verschiedenen Levels als auch der moderate Schwierigkeitsgrad bei. Die späteren Bosse, und insbesondere der allerletzte, stellen einen zwar noch einmal auf die Probe, aber ansonsten ist das Spiel auch ideal für Genreeinsteiger geeignet. Nervig gestaltet sich aber wie bei so vielen Platformern die Tatsache, dass man in bester Castlevania-Manier einen leichten Rückstoß erleidet, sobald man von einem Gegner getroffen wird. Vor allem bei vertikalen Levelabschnitten wie im Glockenturm befördert einen dies öfters unvorhergesehen in den Abgrund, als es einem lieb ist. Da es keine Rücksetzpunkte bei Verlust eines Lebens gibt, heißt es in diesem Fall: Zurück zum Levelanfang, und alles noch einmal von vorne. Die gute alte Zeit eben. <3

Grafisch wurde Chip und Chaps zweites Jump ’n’ Run gegenüber dem Vorgänger noch einmal leicht aufgebohrt, so dass man für NES-Verhältnisse von einer tadellosen Optik sprechen kann. Insbesondere die putzigen Animationen der Rescue Rangers sowie ihrer Widersacher sind hervorzuheben sowie die generell detaillierten Hintergrundgrafiken und die hohe Qualität der Sprites. Letztere spiegelt sich bei einigen der größeren Endbosse zwar auch in für das NES typischem, leichten Flackern wider, dies hält sich jedoch in Grenzen und ist daher zu verkraften.
Die musikalische Untermalung des Titels ist bis auf wenige Stücke nicht unbedingt ohrwurmverdächtig und spielt eher unauffällig im Hintergrund, wird aber nie nervig und passt zum munteren, actionlastigen Gameplay. Die gewählten Melodien gefallen zwar besser als die des Vorgängers, kommen aber nicht an andere Capcom-Kompositionen wie etwa aus der Mega Man-Reihe heran, auch wenn manche von ihnen schon teilweise in die Richtung des blauen Vorzeigeroboters gehen. Die Soundeffekte sind ebenfalls zweckmäßig und wenig außergewöhnlich, weder in positiver noch in negativer Hinsicht. Erwähnenswert ist allerdings, dass das nervige Geräusch, das im Vorgänger beim Einsammeln der überall verstreuten Kärtchen ertönte, glücklicherweise in Rescue Rangers 2 durch einen Trommelfell-kompatibleren Sound ersetzt wurde.

Alles in allem ist Capcom mit Rescue Rangers 2 eine weitere gelungene Disney-Versoftung gelungen. Wer den ersten Teil mochte und nach mehr vom Selben sucht, wird mit diesem Modul sicherlich glücklich. Das eingängige und kurzweilige Gameplay des Vorgängers wird konsequent fortgeführt, leicht erweitert und zeigt insbesondere im Coop-Modus seine Stärken. Allerdings ist der Titel aufgrund seines relativ späten Erscheinens während der NES-Ära auch um einiges seltener als der erste Teil und somit in der Regel auch etwas teurer.


Wertung


7/10

Kommentare



Phil
Ob nun Teil 1 oder Teil 2: Aus meiner Sicht unterscheiden sich die beiden Rescue Rangers-Titel in ihren Qualitäten wenig. Viel wichtiger ist, dass beide eine Menge Spaß bringen, insbesondere zu zweit! Ein Schlüsselelement des Coop-Modes für mich, sich gelegentlich an seinem Mitspieler zu vergehen, indem man ihn wie eine gewöhnliche Box aufhebt und kurzerhand in den nächsten Abgrund befördert, lautes Geschrei beim Mitstreiter inklusive! Fun Fact: Dieses in New Super Mario Bros. Wii um vier Konsolengenerationen später eingeführte Herumtragen und Wegwerfen von Mitspielern wurde wohl direkt aus den beiden Chip und Chap-Spielen für das NES inspiriert!