Bio Miracle Bokutte Upa


von Phil
02.05.2014

An klassischen Jump 'n' Runs mangelte es Nintendos 8-Bit-Konsole ja bekanntlich nicht. Viele Genrevertreter ließen jedoch ein gewisses Maß an Originalität vermissen, wo doch viele Entwickler vergeblich versuchten, die Essenz der Abenteuer eines gewissen Klempners bestmöglich nachzuahmen. Umso erfreulicher ist es, wenn man hin und wieder mal auf erfrischend andersartige Titel wie "Bio Miracle Bokutte Upa" stößt - eine weitere Perle aus dem Hause Konami, die Spielern aus westlichen Gefilden lange Zeit vorenthalten blieb. 1988 erschien das Spiel zunächst für das japanische Famicom Disk System, bis es ganze fünf Jahre später(!) in leicht abgewandelter Form auch noch für das normale, modulbasierte Famicom umgesetzt wurde. Das westliche NES hingegen wurde mit keiner entsprechenden Portierung bedacht. Erst 2008 wurde die FDS-Version des Spiels durch eine Download-Veröffentlichung für die Wii Virtual Console bei uns verfügbar.

Protagonist des Titels ist ein durchaus energiegeladener Säugling namens Upa, seines Zeichens Prinz eines bizarren Königreichs, der eines Tages unverhofft Besitzer einer magischen Rassel wird. Diese erhält er von einer ihm wohlgesonnenen Fee, die durch das Zerbrechen einer mysteriösen Urne freigesetzt wurde. Unglücklicherweise befand sich in besagter Urne auch die niederträchtige Dämonenziege Zai, die nicht lange fackelt und sich sowohl die Seelen der Erwachsenen des Königreichs zu Eigen macht, als auch zahlreiche Altersgenossen Upas verschleppt. Fortan liegt es am jungen Prinzen, Zai zur Strecke zu bringen und dessen Taten ungeschehen zu machen. Dazu macht der Wonneproppen vor allem regen Gebrauch von besagter Rassel. Verpasst er seinen Widersachern mit ihr einen Hieb, blähen sich diese zu Ballons auf und bewegen sich als solche diagonal in die Höhe. Bevor sie nach einiger Zeit zu platzen drohen, kann Upa die Ballons praktischerweise als schwebende Plattformen missbrauchen. Andererseits lassen sich die Ballons auch anspringen und auf diese Weise in alle möglichen Himmelsrichtungen kicken - vorzugsweise auf weitere Feinde. Verhindern sollte man hingegen, dass sie am nächstgelegenen Hindernis abprallen und letzten Endes Upa selbst treffen.

Diese zwei Verwendungsmöglichkeiten von angeschlagenen Gegnern ermöglichen ein originelles Gameplay und sind das Markenzeichen von Bio Miracle Bokutte Upa, ähnlich wie die Greif- und Wurfmechanik eines Super Mario Bros. 2. Das Spiel lässt einen so stets überlegen, was genau man mit seinen Widersachern anstellen möchte und sollte. Allzu oft lassen sich höher gelegene Abschnitte nur über die schwebenden Ballons erreichen, so dass sowohl Einsatz der Rassel als auch der Absprung von den kurzlebigen Plattformen stets gutes Timing verlangen. Insbesondere bei klaffenden Abgründen sorgen die Sprungpassagen für Anspannung und verschwitzte Gamepads.

Sieben thematisch unterschiedliche Welten à drei Levels wollen von Upa durchkrabbelt werden. Glücklicherweise haben die Entwickler bei der Auswahl der Settings ihrer kreativen Ader freien Lauf gelassen, anstatt gängigen Genrekonvention zu folgen. Zumindest größtenteils. So führt das Abenteuer zunächst durch ein ungesundes Süßigkeitenland, gefolgt von einer sicherlich kalorienärmeren Gemüsewelt, bevor es durch die obligatorischen Eislandschaften Richtung High-Tech-Innenleben eines Computers inklusive Chipsätzen und Motherboards geht. Anschließend verschlägt es den jungen Helden in ein Gebiet bestehend aus Schulutensilien wie Bleistiften, Radiergummis und Linealen, gefolgt von einem skurrilen Land aus Milch- und Wurstwaren, bevor schlussendlich Zai zum großen Finale in seiner Legofestung ruft. Für Abwechslung ist optisch also gesorgt, aber auch auf das Gameplay haben zahlreiche weltspezifische Umgebungselemente ihren Einfluss. So versinkt Upa standardmäßig etwa beim Betreten von Quarkflächen, so als wären diese aus Treibsand, und Wackelpudding fungiert als Trampolin für extra hohe Sprünge.

Die meisten Levels sind zwar nicht allzu lang, dafür bleibt der Titel durchgehend herausfordernd. Bei den meisten Levels handelt es sich um gewöhnliche, horizontal scrollende Jump ’n‘ Run Kost. Aufgelockert wird diese Standardformel aber immer mal wieder durch Unterwasserareale oder auch überdimensionale Lebensmittel, wie etwa einer Sahnetorte, durch die es einen Tunnel gen Ziel zu graben gilt. Ein weiteres Highlight sind die vertikal scrollenden Passagen, die in ihrem Aufbau ein wenig an den NES Klassiker Ice Climber erinnern und von der oben erwähnten Ballonmechanik bestens Gebrauch machen. Das Leveldesign verdient fast durchweg das Prädikat "Großartig", denn jeder Gegner und jede Plattform scheint mit Bedacht gesetzt worden zu sein und auch unfaire Stellen gibt es so gut wie nie. Generell führt so ziemlich jedes Level neue Gegnertypen oder Spielmechaniken ein, die der Spieler bis zum Ende des Abschnitts perfekt verinnerlicht haben muss. So herrscht in oben erwähnter Computerchips-Welt etwa zeitweilig in bester Mega Man 5-Manier ("Gravity Man"-Stage) umgekehrte Schwerkraft vor, so dass ein kompletter Bereich kopfüber an der Decke entlang absolviert werden muss. In einer weiteren Stage hat man sich einer Idee aus einem der Verließe in Super Mario Bros. bedient, so dass der Spieler in einer Art Labyrinth die richtigen Abzweigungen nehmen muss, um nicht in einer Endloswiederholung der selben Abschnitte gefangen zu bleiben.

Hat man es ans Ende einer Stage geschafft, erwartet einen in der Regel noch ein Bossraum, in dem es einen Obermotz zu erledigen gilt, indem man ihn mit besiegten Standardgegnern unter Beschuss nimmt. Meistens handelt es sich bei den Endgegnern um ein wohlgenährtes Schwein, das auf wundersame Art und Weise in regelmäßigem Abständen kleinere Schergen fabriziert. Diese gilt es in aller Regel über gezielte Bandenschüsse auf den Produzenten zurück zu feuern, was sich von Mal zu Mal schwieriger gestaltet. Denn man könnte natürlich davon ausgehen, dass dieser Kampf mit der Zeit zur Routine wird, läuft man dem Schwein doch regelmäßig über den Weg. Da aber jeder Bossraum individuell mit Plattformen und Hindernissen ausgestaltet ist, bleibt dieses Rendezvous mit Déjà-vu Effekt stets unterhaltsam wie herausfordernd. Ab und an, in der Regel am Ende einer Welt, warten auch schon einmal weitere Bosstypen auf ihre Abreibung, wobei es diese stets auf die gleiche Art und Weise zu bekämpfen gilt. Unter anderem muss Upa einer feuerspeienden Schlange und einem auf Eisflächen umher rutschenden Walross ihre jeweiligen Schergen um die Ohren pfeffern.

Da Upa standardmäßig beim zweiten Gegentreffer das Zeitliche segnet, gilt es während der Levels so viele Items wie möglich mit der Rassel aus den entsprechen Boxen zu prügeln. Am wichtigsten sind hierbei definitiv die seltenen Herzen, mit Hilfe derer man Upas Energieleiste auf maximal fünf Einheiten anwachsen lassen kann. Diese Herzen müssen pro Welt allerdings neu eingesammelt werden, so dass man sich niemals allzu lange auf einer vollständigen Fünferleiste ausruhen könnte. Milchflaschen, wie könnte es für einen Säugling anders sein, sorgen für Auffrischung der bereitstehenden Herzleiste. Des Weiteren gibt es die obligatorischen Extraleben sowie Bonuspunkte in Form von Äpfeln. Außerdem hilfreich sind eine Sanduhr, mit der sowohl das (selten relevante) Zeitlimit wie auch alle Gegner kurzzeitig eingefroren werden, sowie eine Glocke, die Upa vorübergehend unbesiegbar werden und sogar im aufrechten Gang durch die Levels sprinten lässt. Das Interessante hierbei: Die meisten Itemboxen sind nicht einfach ohne Weiteres erreichbar: Insbesondere die wertvolleren Schätze wurden oftmals an Orten platziert, die etwa einen besonders waghalsigen Sprung erfordern. Diese Risk-and-Reward-Mechanik fügt sich wunderbar in das durchdachte Leveldesign ein.

Bereits erwähnt wurde, dass der Titel für einen klassischen Vertreter des Genres enorme Abwechslung bietet. Dies spiegelt sich auch im Gegnerdesign außerhalb der Bossriege wider, so dass einem bis ins letzte Level hinein immer wieder neue abgedrehte und kreative Kreaturen begegnen und allzu oft auch um die Ohren fliegen! Oftmals sind die Plagegeister thematisch an die entsprechende Welt angelehnt und unterstützen somit das jeweilige Setting. Zu unseren persönlichen Favoriten zählen definitiv die schießwütigen Bleistift-Kampfjets und die mit Reisbällchen werfenden, mit Hilfe ihrer Ohren schwebenden Elefanten. Noch Fragen? ;)

Vom knuffigen Japano-Look des Spiels sollte man sich allerdings nicht täuschen lassen: Der Schwierigkeitsgrad in Bio Miracle Bokutte Upa ist definitiv nicht für Babies: Bereits ab der zweiten Welt trifft man mitunter auf knackige Sprungpassagen, die über mächtig Frustpotential verfügen. Die bewusste Designentscheidung, dass Upa nach Sprüngen und Stürzen aus einer gewissen Fallhöhe zunächst auf den Rücken purzelt und somit für eine kurze Zeit unbeweglich bleibt, kann etwa in Verbindung mit Plattformen, die bei erster Berührung in die Tiefe stürzen, für den einen oder anderen Aufschrei im Gamerzimmer sorgen. Das Fehlen von Rücksetzpunkten in den einzelnen Levels sowie die Tatsache, dass nach Verbrauch aller Leben wieder im ersten Level einer Welt gestartet werden muss, tun zum gelegentlichen Ärger ihr Übriges. Insbesondere nach einem verpatzten Bossfight, die es in den späteren Levels durchaus in sich haben, noch einmal durch ein ganzes Level oder im schlimmsten Fall gar durch eine gesamte Welt hetzen zu müssen, kann einem als Spieler aktuellerer Genrevertreter schon einmal übel aufstoßen. Man ist halt einfach nichts mehr gewohnt… ;) Zu Gute halten muss man Bio Miracle Bokutte Upa jedoch, dass sowohl Steuerung als auch Kollissionsabfrage stets superpräzise sind, wie es sich für einen Toptitel des Genres gehört. Somit ist die Mehrzahl der Fehlversuche durchaus dem eigenen Unvermögen des Spielers geschuldet.

In seltenen Fällen kann man dem Spiel allerdings vorwerfen, nicht mit fairen Mitteln den Schwierigkeitsgrad in die Höhe zu treiben. Zum einen gibt es hin und wieder Stellen, die man schlicht und einfach verbocken kann, indem man zu voreilig alle vorhandenen Gegner eliminiert, die potentiell als Aufzug zur nächsten Plattform hätten dienen können. In solchen Fällen bleibt einem nur der selbstgewählte Freitod (der nächste Abgrund ist in der Regel nicht fern…) und die Hoffnung, für den nächsten Versuch aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Zum Glück lassen sich diese Stellen über das gesamte Spiel aber an einer Hand abzählen. Zum anderen gilt es in der letzten Welt aber gleich mehrfach, sich in einer vertikalen Stage auf gut Glück ins Ungewisse fallen zu lassen… eine Reise in den garantierten Tod, sofern man nicht über entsprechende Levelkenntnisse verfügt. Die Tatsache, dass die Stages bei zweiten, dritten oder gar vierten Versuch deutlich einfacher werden, ist nicht zuletzt dem Problem geschuldet, dass man wichtige, ja gar unentbehrliche Items wie die Herzen nur allzu leicht verpasst, wenn man sich bei Verzweigungen innerhalb des Levels für die falsche Route entscheidet, denn ein Zurückscrollen des Screens ist in Bio Miracle Bokutte Upa nicht möglich. All diese Punkte sind aber eher kleinere Mankos, die den Gesamteindruck vom Titel wirklich nur im Ansatz trüben.

Wie ihr es anhand unserer Screenshot-Galerie bereits erahnen könnt, spielt Upas Abenteuer auch technisch in der oberen Liga des Famicoms mit, insbesondere wenn man das Ersterscheinungsjahr des Titels beachtet. Nicht nur von tollen Farbpaletten wurde für die kunterbunten Welten Gebrauch gemacht, sondern auch die niedlichen, im Animé-Stil herrlich überzeichneten Animationen der einzelnen Figuren wissen zu überzeugen. Die Detailverliebt macht sich ebenfalls in den Hintergründen bemerkbar, so dass sich grafisch ein wunderbares Gesamtbild ergibt, dass stets ohne Framerate-Einbrüche oder Sprite-Flackern auskommt. Die euphorisch anmutende Musik untermalt das bunte Treiben in den Fantasiewelten absolut stimmig und hilft durch seine neckischen Kompositionen sogar über den einen oder anderen Frustmoment hinweg. Lediglich ein paar mehr Musikstücke hätte dem Spiel gut zu Gesicht gestanden, da insbesondere das Standardoberwelt-Theme etwas zu häufig bemüht wird und sich entsprechend früh ins diesbezüglich bereits geschundene Gamerhirn auf ewig einzubrennen droht.

Mit einem Umfang von 21 Levels fordert Bio Miracle Bokutte Upa vom Spieler sicherlich einen langen Atem sowie eine ausgiebige Gamingsession am Stück. Da der Titel im Verlauf des Abenteuers aber wie erwähnt stets mit neuen Elementen aufzutrumpfen weiß, wurde die Spieldauer von Konami genau richtig gewählt. Solltet ihr die Gelegenheit haben, zwischen den Versionen für das Famicom Disk System und für das Famicom wählen zu können, sei letztere empfohlen. Neben den nur leichten, kosmetischen Änderungen wie einem geänderten Titelbildschirm enthält diese nämlich zusätzlich einen Easy Mode, der Upa bei Spielbeginn mit mehr Leben ausstattet und ihn mehr Gegentreffer als im Normal Mode einstecken lässt. Des Weiteren wurde für die fünf Jahre jüngere Famicom-Version der Soundtrack überarbeitet und klingt in dieser Fassung einfach sehr viel voller als im Original, ähnlich wie dies auch bei der Konvertierung eines Castlevania 2 der Fall war. Wie eingangs bereits erwähnt wurde, erschien auf der Wii Virtual Console die Famicom Disk System Variante. Trotz der Vorzüge des Famicom-Moduls können wir euch aber auch den Download wärmstens ans Herz legen, denn Bio Miracle Bokutte Upa ist ein echter Geheimtipp unter den Famicom-Plattformern und zählt als Modulversion zu den eher teureren Spielen.


Wertung


8/10

Kommentare



Phil
Wie über einige andere Titel der NES- bzw. Famicom-Ära bin ich auch über Upas Abenteuer erst mit der im Test erwähnten Veröffentlichung auf der Wii Virtual Console gestoßen. Nachdem mich das Spiel beim ersten Anblick von Screenshots und Videos nicht vollends überzeugen konnte, ließ ich mich von den vielen positiven Stimmen, die das Spiel ausgiebig lobten, jedoch zum Kauf ermutigen – und hatte im Endeffekt eine sehr unterhaltsame Zeit mit dem Titel. Meine anfängliche Skepsis rührte sicherlich nicht zuletzt vom trügerisch kindischen Spielkonzept, mit einem Säugling als Protagonisten mit einer Babyrassel bewaffnet Jagd auf rosarote Schweinchen zu machen. Aber den Fehler, das Spiel aufgrund seiner äußerlichen Erscheinung voreilig keine Chance zu geben, hatten wohl bereits andere begangen, als eine Entscheidung für bzw. gegen eine Veröffentlichung im Westen zur Zeit des NES anstand… und diesen wollte ich mit meinem Hintergrundwissen zum Spiel natürlich auf keinen Fall wiederholen. Wer auch nur ein wenig für 2D-Plattformer übrig hat (und das unterstelle ich dem Großteil der NES.Fans einfach mal), wird an Bio Miracle Bokutte Upa eine wahre Freude haben! Schade, dass Konami das innovative Spielprinzip bis heute nicht noch einmal in Form eines Sequels aufgegriffen hat, sondern Upa mit den sporadischen Gastauftritten in anderen Serien wie etwa Parodius zu einem vergessenen Videospielhelden von damals regelrecht versauern lässt.