Interview mit Pitsch Kaufmann


von Seppatoni
15.08.2005

Der Name Pitsch Kaufmann dürfte eigentlich jedem Gamefreak in der Schweiz ein Begriff sein. Angefangen mit AGEstuff (AGE = Absolute Game Entertaining) versorgte er die Schweizer Gameszene mit aktuellen Titeln, Retro- und Importspielen aus nah und fern. Mit der Fusion mit Alcom (www.alcom.ch) unter dem Motto "Alcom vs. AGEstuff" vergrößerte sich vor allem der Retro-Bereich. Auch Ill-Fil, Moderator der Sendung Extreme Play (später Game City) des Schweizer Privatsenders StarTV, war bei Pitsch regelmäßig zu Gast und holte sich Infos zu Importen und Retro-Klassikern.


NES CENTER:

Hallo Pitsch. Vielen Dank, dass du dich für dieses Interview zur Verfügung stellst. Stell dich doch bitte gleich mal kurz vor.


Pitsch:

Also, mein Name ist Pitsch Kaufmann und ich arbeite bei Alcom Videogames, das wisst ihr ja. Mein Lebenslauf ist eigentlich kurz und schmerzlos. Ich wurde mal geboren, 1975. Dann hab ich Ende 70er Jahre mit Videospielen angefangen. Danach bin ich in die Schule gegangen. Nachher hab ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Das heißt, nach der abgeschlossenen KV-Lehre habe ich erst noch ein bisschen gearbeitet. Danach hatte ich irgendwann mal das Gefühl, hey komm, ich versuch mal selber einen Videogame-Laden zu eröffnen. Das war vor etwa 8 Jahren. Und nachher, wie gesagt, AGEstuff, danach Alcom und jetzt sind wir hier, wo wir jetzt stehen. (lacht)


NES CENTER:

Wann hast du genau mit Videospielen begonnen? Was war deine erste Konsole?


Pitsch:

Meine erste Konsole war nicht die, mit der ich angefangen habe zu spielen, denn das war die Konsole meiner Schwester. Das war in den späten Siebzigern, sie hatte damals den Atari VCS 2600 mit Pac-Man, Asteroids und Space Invaders. Und da hat man nebenbei ein bisschen mit gespielt und so bin ich da eigentlich reingerutscht.


NES CENTER:

Wie bist du zum NES gekommen?


Pitsch:

Das war so, ich bin früher ab und zu als kleiner Junge in die Spielhallen gegangen, in Italien. Und dort habe ich immer dieses Super-Game Kung Fu gesehen, das war mein Traum. Und plötzlich, eines schönen Tages, ist so eine Fernsehwerbung über die Mattscheibe geflimmert und da hab ich gesehen, he, Kung Fu gibt es jetzt auch plötzlich für diesen so genannten NES. Und da hab ich gedacht, ich muss dieses Gerät haben, egal was es kostet. Als dann das NES auf den Markt kam, war ich einer der ersten, der es gekauft hat. Und natürlich gleich Kung Fu dazu und auch noch Ice Climber und Popeye und noch zwei bis drei andere Games. Und so habe ich im Prinzip mit dem NES-Gamen begonnen.


NES CENTER:

Erzähl doch mal ein bisschen über deine Videospieljugend.


Pitsch:

Wie gesagt, mit dem Atari VCS hat alles angefangen, nachher NES und Game & Watch... Ja, ich hab doch 'ne ziemliche Menge Zeit in meiner Jugend in Videogames investiert. Gut, ich muss dazu noch sagen, ich war jetzt nicht einer, der nur zu Hause gesessen hat und immer vor dem Fernseher hockte, meine Mutter hat schon immer die schützende Hand gehabt, dass ich nicht zu sehr vor dem Fernseher sitze. Wie gesagt, es ist so gekommen wie es gekommen ist. Nach dem NES ist dann die nächste Konsole gekommen und dann hat man wieder eine verkauft, die nächste gekauft und und und... So war das in meiner Jugendzeit.


NES CENTER:

Wie oft spielst du heute noch NES? Spielst du überhaupt noch?


Pitsch:

Ja ja, doch doch, ich hab's immer noch zu Hause, so einen ganz geilen 12er-NES...


NES CENTER:

Du meinst den M82?


Pitsch:

Genau, so 'nen coolen Modulwechsler, wo ich nicht immer ständig austauschen muss. Da sind immer 12 Games drinnen. Zwei bis drei sind immer meine Favoriten, die bleiben immer drin, und die anderen tausche ich immer etwa halbjährlich mal aus. Also ein bis zwei mal im Monat spiele ich immer noch, würde ich sagen.


NES CENTER:

Beim M82 hast du aber das Problem, dass er maximal auf 2 Stunden Betriebsdauer beschränkt ist...


Pitsch:

Ja, das ist eben der Scheiß an dem Teil. Ich habe sogar mal bei Nintendo nachgefragt, ob sie ihn entsprechend umbauen könnten. Aber sie haben natürlich gesagt, dass sie dazu nicht mehr in der Lage seien. Aber so für Zwischendurch reicht es. (lacht)


NES CENTER:

Welche NES-Games zählen zu deinen persönlichen Favoriten?


Pitsch:

Ja, natürlich Mario, die Mega Man Serie finde ich super, Zelda auch und natürlich Castlevania. Und dann gibt es auch noch vereinzelte Titel, die ich immer wieder gerne spiele. Das wären zum Beispiel New Zealand Story, welches mich damals total gepackt hat. Oder auch Rad Racer, das ich immer wieder spiele. Ice Hockey, Punch-Out!! und alle die anderen Hits auch.


NES CENTER:

Unserer Meinung nach besticht die 8-Bit-Ära besonders durch unzählige Innovationen. Würdest du persönlich einige davon als besonders bemerkenswert erachten?


Pitsch:

Sagen wir's mal so, ich selber habe damals nur eine Innovation auf dem NES selber gehabt und das war die Fitnessmatte, die fand ich damals natürlich supergeil. Man hat aber in den Magazinen jeweils noch viele andere Sachen gesehen, zum Beispiel den Roboter, diesen geilen Helm, den man sich aufsetzen konnte, den Handschuh und was es sonst noch alles gegeben hat. Ich selber kann jetzt nur von der Fitnessmatte reden, ich hab das in den 80ern super gefunden, darauf rumzutrampeln. (lacht)


NES CENTER:

Hast du einen Lieblingsvideospielhelden?


Pitsch:

Kann man so nicht sagen. Da habe ich keinen speziellen. Aber Mario finde ich wirklich cool. Seit es ihn gibt, hat er immer in allen Spielsparten und Spielgenres herausgestochen, aber nicht, dass ich jetzt zu Hause Mario-Figuren sammeln würde. Ich finde einfach, dass er ein cooler Charakter ist.


NES CENTER:

Bist du auch Sammler?


Pitsch:

Ja ja, natürlich. Aber das darf meine Frau nicht hören. (lacht) Nein, also NES-Sachen habe ich wirklich eine ganze Menge zu Hause. Ich weiß nicht, 200 oder fast 300 Games habe ich sicher, also 'ne ganze Menge. Ich habe auch schon den Überblick darüber grausig verloren. Was ich noch sammle sind Game Boys. Ich habe wirklich enorm viele Game Boys zu Hause. Nicht mal die zugehörigen Spiele, sondern einfach die Geräte. 99% meiner Game Boys wurden noch nicht mal ausgepackt und sind wirklich nur zum Sammeln und Ausstellen. Zu Hause habe ich einfach meinen blauen GBA SP um zu spielen, aber alle anderen Varianten und Farben habe ich noch nie ausgepackt und die sammle ich einfach.


NES CENTER:

Kommen wir zum geschäftlichen Teil. Angefangen hat ja damals alles mit AGEstuff. Wie ist es genau dazu gekommen?


Pitsch:

Da bin ich so reingerutscht über beim Hobby. Ich habe meine Games früher über die Fundgrueb (Zeitung mit Inseraten, Anm. d. Red.) eingekauft und verkauft. Ebay gab's damals eben noch nicht. Oder wir haben einfach über Kollegen-Kontakte Spiele getauscht und verkauft. Und eines schönen Tages habe ich mir dann gedacht: "He, eigentlich könnte ich das auch zu meinem Beruf machen." und dann habe ich zu Beginn erst halbtags ein bisschen verkauft, um das Risiko zu minimieren.


NES CENTER:

Damals aber einfach über einen Online-Shop, oder?


Pitsch:

Zuerst online, zu Hause, aus meinem Zimmer raus. Also ohne Verkaufsladen und wirklich nur übers Onlineportal. Und dann hat sich das relativ gut entwickelt. Ne Menge Leute haben immer gesagt: "Mach doch 'nen Laden, mach doch 'nen Laden." Und es ist eben schon so, dass man, wenn du kein Geschäft hast, immer ein bisschen unsicher ist. Man ist halt anonym im Internetbusiness. Zwei bis 3 Jahre später gab ich mir dann das Okay, weil sich gerade eine gute Gelegenheit in Goldau geboten hatte. Und dann konnte ich noch das Ladengeschäft eröffnen. Und so hat sich das dann ergeben.


NES CENTER:

Und wie kam es dann zur Fusion mit Alcom?


Pitsch:

Das war eigentlich witzig. Ich habe selber nach 2 Jahren Goldau ein bisschen umgeschaut, wo es ein größeres Ladenlokal gibt, weil damals alles doch ziemlich klein war. Und vor allem in Anbetracht der neuen Konsolen hätte ich früher oder später eh noch etwas ausbauen oder eben 'ne Menge alter Retro-Sachen rausschmeißen müssen, was ich natürlich nicht wollte. (lacht) Dann hab ich mich etwas umgeschaut und Andy, der Inhaber von Alcom, hatte anscheinend vernommen, dass ich nach einem größeren Ladenlokal Ausschau hielt. Und da er ja auch gerade umbaute und ausbaute sind wir dann so langsam ins Gespräch gekommen und haben uns dann nach abendlangen Diskussionen und hitzigen Köpfen gefunden und diese Fusion beschlossen.


NES CENTER:

Wie groß ist die Nachfrage nach NES-Artikeln?


Pitsch:

Ist eigentlich immer noch relativ groß. Das Problem ist einfach immer, ob du auch die passenden Artikel grad im Laden hast. Die Leute suchen lustigerweise immer in etwa die gleichen Sachen. Also die Nachfrage ist nach wie vor vorhanden, Konsolen sind recht gesucht. Sind halt auch nicht mehr so einfach zu finden und es ist relativ schwer, noch komplette Sets mit Verpackung und allem drum und dran zu einem anständigen Preis zu finden.


NES CENTER:

Die gesuchten Spiele, sind das Standard-Sachen wie beispielsweise Super Mario Bros. oder doch eher spezielle Games?


Pitsch:

Es sind eigentlich fast die Spiele, die ich vorhin schon aufgezählt habe. Vor allem Zelda-Games, die Mega Mans - vor allem Mega Man 1 ist ja mittlerweile nur noch verdammt happig teuer zu bekommen. Es sind auch noch Punch-Out!!, es sind Castlevania... Vor allem die guten Sachen eben. Oder wenn zum Beispiel ein neues Metal Gear rauskommt, wollen sich die Leute auf einmal wieder die Metal Gear Sammlung komplettieren und fragen nach Metal Gear auf dem NES und solche Geschichten.


NES CENTER:

Ist die Nachfrage in letzter Zeit gestiegen, da Retrogaming ja immer mehr in Mode kommt?


Pitsch:

Es ist etwa immer gleich. Man kann nicht sagen konstant, denn lustigerweise sind es immer Wellenbewegungen und mal ist es ganz ruhig, dann verkaufst du einen oder zwei Monate fast nichts und plötzlich kommen die Leute und räumen dir eine halbe Vitrine leer. Also es ist wirklich ganz lustig, wirklich wie eine Wellenbewegung.


NES CENTER:

Denkst du, dass der Trend weiter anhalten wird?


Pitsch:

Ja, Retrogaming wird es immer geben. Oder vielleicht sogar wieder vermehrt. Weil die Grafik alleine das Ganze ja schlussendlich nicht ausmacht. Das ist immer meine Aussage gewesen. Wenn man jetzt hier in die Vitrine schaut und die ganzen Games sieht - die machen noch genauso viel Spaß wie das heutige Top-State-of-the-Art-Grafik-Game, welches vielleicht nach einer halben Stunde eh schon langweilig wird, weil es viel zu kompliziert ist, da 27 Knöpfe bedienen werden müssen.


NES CENTER:

Alcom war ja immer ein Spezialist in Sachen Import-Games. Wie sah es auf dem NES mit der Nachfrage nach Importtiteln aus?


Pitsch:

Seit ich jetzt in diesem Business tätig bin haben etwa nur 4-5 Leute nach Famicom-Games gefragt. Das ist eigentlich nichts und wirklich verschwindend wenig, wenn mal einer pro Jahr was bestimmtes sucht. Man muss sagen, dass da lustigerweise im Gegensatz zum Super Nintendo und Mega Drive, wo doch die Nachfrage viel größer ist, bei den 8-Bit Konsolen fast nichts los ist.


NES CENTER:

Es gibt ja eigentlich keine Konsole die du nicht kennst. Trotzdem hast du in der Sendung Extreme Play auf StarTV mal gesagt, dass das NES deine Lieblingskonsole sei. Wie kommt das?


Pitsch:

Ja, das ist einfach so. Weil ich meine halbe Kindheit davor verbracht habe sehr wahrscheinlich. Die schönsten Kindheitserinnerungen hängen dort dran. Mit meinen Kollegen und meinen Brüdern haben wir jeweils Gamenights gemacht. Ich mag mich erinnern, als wir jeweils stundenweise schlafen gingen, als damalsl Castlevania oder Top Gun rausgekommen sind und wir uns wirklich im Dreistundentakt abgewechselten. Solche Erinnerungen bleiben einem einfach. Und eben diese Kindheitserinnerungen mit Kung Fu - da hängst du an einer Konsole, und deshalb ist das NES auch nach wie vor mein Lieblingssystem.


NES CENTER:

Wie bist du auf das NES CENTER aufmerksam geworden? Kennst du es überhaupt?


Pitsch:

Ja natürlich, durch dich. (lacht) Nein, ich bin ganz normal durch Links oder Postings in Foren auf die Site gestoßen. Ist aber auch schon ein paar Jahre her.


NES CENTER:

Und was hältst du von solchen Retro-Magazinen?


Pitsch:

Finde ich super! Ich finde es immer genial, wenn Fans sich die Mühe machen und ohne großes Entgelt solche Sachen auf die Beine stellen, mich freut das immer wahnsinnig. Ist immer eine gute Sache, vor allem eben von Fans für Fans.


NES CENTER:

Möchtest du abschließend noch etwas sagen?


Pitsch:

Ja, wie vielleicht viele wissen mache jetzt einen Abgang aus dem Videogame-Business. (lacht) Aber ich werde natürlich nach wie vor weitergamen. Ich habe das Gefühl, wenn du irgendwann mal ein Vollblutgamer bist, dann kommst du nie mehr davon weg. Und ich werde wohl mit 60, 70 noch gamen, wenn das mein NES noch mitmacht. (lacht)


NES CENTER:

Vielen Dank für das ausführliche Interview!