Urban Champion


von Seppatoni
15.10.2004

Seit sich finstere Gangs im Revier niedergelassen haben, ist aus dem einst friedvollen Viertel ein unsicherer Ort geworden, bei dem die Gefahr hinter jeder Ecke lauert. Kaum jemand traut sich noch vor die eigene Haustür, die ganze Gegend scheint wie ausgestorben. Doch ihr beschließt, dem ganzen ein Ende zu setzen und die Sippe mit den eigenen Fäusten wieder dahin zu prügeln, wo sie hergekommen ist.

An Schauplätzen wie einem Discount Shop, einer Snackbar oder einem Friseur-Salon steigt die große Rauferei. Mittels Druck auf A und B bearbeitet ihr euren Kontrahenten mit Schlägen auf den Kopf oder in die Magengegend. Betätigt ihr A wird ein schneller, aber relativ schwacher Punch vollzogen, im Gegensatz dazu verursacht der Schlag mit dem B-Knopf gehörig Schaden, ist dafür aber relativ langsam und berechenbar. Zur Abwehr könnt ihr die Fäuste vor den Kopf bzw. den Bauch halten oder auch durch ein Ausweichmanöver nach hinten den gegnerischen Angriffen entgehen.

Das eigentliche Spielprinzip erinnert allerdings weniger an ein „normales“ Beat 'em Up, sondern stand möglicherweise für die Millionenseller Super Smash Bros. (N64) und Super Smash Bros. Melee (GCN) Pate. Denn Ziel ist nicht, sämtliche Energie aus dem Gegner zu prügeln, sondern ihn aus dem Bildschirm zu schubsen. Wurde ein Kämpfer bereits 2 mal aus dem Bildschirm verdrängt, so findet sich in der dritten Runde ein geöffneter Gully hinter seinem Rücken. Mit gezielten Attacken gilt es nun, das Gangmitglied in die Kanalisation zu befördern. Anschließend darf sich der Sieger im Konfettiregen feiern lassen, bevor es in die nächste Runde gegen einen stärkeren Gegner geht. Ein Sieg wird jeweils mit einem roten Boxhandschuh unten rechts auf der Anzeige vermerkt. Habt ihr 5 Siege eingefahren, gibt’s dafür ein grünes Fähnchen. Der Spieler verfügt dabei im ganzen Spiel nur über 3 Leben. Jedes mal, wenn er aus dem Bildschirm geprügelt wird, geht eines davon drauf. Ist man beim dritten mal in den Gully gefallen, heißt es unwiderruflich „Game Over“.

Daneben spielt aber auch die Ausdauer der Spielfiguren eine wichtige Rolle. Zu Beginn einer jeden Rauferei stehen den Kontrahenten je 200 Einheiten zur Verfügung. Mit jedem Angriff auf den Gegner reduziert sich diese um eine Einheit. Landet hingegen euer Gegenüber einen Treffer, so kostet euch dies, je nach Stärke des Schlages, bis zu 10 Einheiten. Umso mehr sich die Energie dem Nullpunkt nähert, desto schwächer wird der betroffene Charakter. Gefahr geht allerdings nicht nur von eurem Gegner aus. Ab und zu zeigen sich Hausbewohner am Fenster im Hintergrund und schmeißen Blumentöpfe auf die Prügelknaben. Wird einer davon getroffen, zieht es ihm nicht nur 5 Energiepunkte ab - dann sieht er nämlich auch für einige Augeblicke Sternchen und bleibt in dieser Zeit manövrierunfähig und somit ein leichtes Ziel für den Gegner. Zu achten gilt es auch auf die Zeit: 99 Sekunden pro Runde. Sinkt die Anzeige auf Null, kommt schnurstracks die Polizei dahergefahren und verhaftet denjenigen, der sich näher am Bildschirmrand befindet. Die Folgen sind dieselben, als wenn er aus der Szene geschubst worden wäre. Auch während des Kampfes tauchen die Ordnungshüter ab und an zufällig auf. Sobald die Sirene ertönt, stellen sich die beiden Kontrahenten an eine Straßenecke und schauen in einer witzigen Animation unschuldig pfeifend in der Gegend herum. Wer genug auf den Computer eingeprügelt hat, kann sich auch mit einem menschlichen Mitspieler messen. Die Regeln sind dabei dieselben: Wer im Gully landet hat den Kampf verloren.

Technisch setzt Urban Champion als Titel der ersten Generation natürlich keine neuen Maßstäbe, wenngleich für die damaligen Verhältnisse derartige Hintergründe eine seltene Augenweide waren. Die Sprites sind sehr schlicht gezeichnet, ebenso die Animationen. Auch die musikalische Untermalung sticht kaum heraus und dümpelt unauffällig im Hintergrund. Die Steuerung wirkt zu Beginn etwas hakelig, nach einigen Runden hat man sich aber schnell daran gewöhnt und die Kontrolle geht fortan gut von der Hand. Der Umfang ist mit 2 Spielmodi (Single- und Multiplayer) natürlich arg beschränkt und wird euch kaum wochenlang vor die Konsole fesseln.

Urban Champion ist ein Titel der von seinem nostalgischen Flair lebt und Freunden alter Klassiker sprichwörtlich Tränen in die Augen treibt. Für dauerhafte Beschäftigung taugt der Titel eigentlich nicht, aber für eine spontane Runde allein oder vor allem zu zweit kramt man das Modul gerne hervor.


Wertung


6/10

Kommentare



Seppatoni
Auch wenn ich Urban Champion erst 17 Jahre nach dem Erscheinen kennen gelernt habe, hab ich das Spiel als Titel der ersten Generation gleich in mein Herz geschlossen ;) Auch in spielerischer Hinsicht kann der Titel überzeugen. Die witzige Prügelei mit etwas anderen Regeln ist eine willkommene Alternative im Beat 'em Up Genre und lädt immer mal wieder zu 'ner kleinen Rauferei ein. Vor allem zu zweit entfaltet das Game sein wahres Spielspaßpotential.


Phil
Urban Champion zeichnet sich insbesondere durch seine schwerfällige Steuerung aus: Die Figuren sind behäbig und langsam und führen ihre Angriffe mit einer Geschwindigkeit aus, als würden sie sich durch zähes Gummi bewegen. Auch ist das Kampfsystem mit seinen nur jeweils zwei verschiedenen Hieben und Blocks einfach zu simpel; dennoch schafft es der Titel, für Verwirrung zu sorgen: Warum der Kontrahent gerade einen Schlag gelandet hat und nicht etwa man selbst, obwohl beide Kämpfer genau gleichzeitig zum Hieb angesetzt haben, bleibt in der Regel ein Rätsel. Entsprechend willkürlich gestalten sich die Kämpfe, auf deren Ausgang man gefühlt nur teilweise Einfluss nimmt. Außer den gelegentlich auftretenden, vom Grundgedanken her netten Umgebungsereignissen, wie etwa der Kampfunterbrechung durch einen vorbeifahrenden Streifenwagen, bietet Urban Champion nichts, was einem als Fan des Fighting-Genres auch nur ein müdes Lächeln entlocken wird. Aber selbst diese wiederholen sich zu schnell und können nicht über das eintönige und wenig ausgereifte Gameplay hinwegtäuschen. Urban Champion mag bei so manchem Retrofan nostalgische Gefühle wecken. Gut gealtert ist es meiner Meinung nach jedoch leider nicht.


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