StarTropics II - Zoda’s Revenge


von Phil
22.08.2016

Als letzter großer First-Party-Titel für das NES erschien im Jahr 1994 - das SNES war somit bereits längst auf dem Markt - der Nachfolger zum kultigen Action-Adventure StarTropics. Zumindest in den USA. Nintendo of Europe stand zu diesem späten Zeitpunkt dem möglichen Erfolg von weiteren Spielen für seine 8-Bit-Konsole anscheinend skeptisch gegenüber, sodass man sich gegen einen hiesigen Release von StarTropics II: Zoda’s Revenge entschied. Eigentlich schade, denn obwohl es sich um alles andere als ein makelloses Sequel handelt, bietet auch das zweite Abenteuer von Mike Jones solide Unterhaltung.

Storymäßig knüpft der Titel direkt am Vorgänger an: Der amerikanische Teenager Mike erhält eine telepathische Nachricht von Mica, der Prinzessin der Argonier, die er am Ende des ersten Teils vor dem Außerirdischen Bösewicht Zoda retten konnte. Mica verrät Mike und seinem Onkel Dr. J, wie sie eine Sammlung an mysteriösen Schriftzeichen, die sie aktuell untersuchen, entschlüsseln können. Beim Rezitieren dieser Schriftzeichen verschlägt es Mike plötzlich in ein Raumzeitkontinuum und ehe er sich versieht, befindet sich unser Held in der Steinzeit. Von dort aus macht er sich auf die Suche nach den sieben mystischen „Tetrads“, bei denen es sich im Grunde genommen um nichts anderes als glorifizierte Tetris-Steine handelt.

Wie man bereits an diesen Reliquien erkennen kann, nimmt sich das Action-Adventure selbst nicht allzu ernst: Schräger bis bisweilen fragwürdiger Humor sind genauso Markenzeichen von StarTropics II wie das Treffen auf diverse reale und fiktive Figuren aus der Weltgeschichte. So darf man sich etwa im alten Ägypten für Kleopatra auf die Suche nach einem Pizzaboten machen, der bereits seit Ewigkeiten auf sich warten lässt und später auf einem aus Super Marios Bros. bekannten Koopa Troopa reitend in der Wüste von Mike aufgefunden wird. Lustig-beknackte, teils überflüssige Dialoge und Wortspiele gehören ebenso zum Programm - gerne melden sich dabei auch Tiere zu Wort wie etwa eine Schlange, die Mike darum bittet, doch bitte keine unnötigen Fragen zu stellen.

Die Schauplätze der einzelnen Kapitel, in die das Spiel unterteilt ist, sind vielfältiger als im Vorgänger und variieren auch innerhalb eines Abschnitts: Ein gutes Beispiel ist Kapitel 2, das den Spieler ins alte Ägypten verschlägt. Im Nildelta trefft ihr auf angriffslustige Krokodile und ein Affe lotst euch durch das dichte Gestrüpp an Vegetation zu wichtigen Power Ups; hingegen sind die Pyramiden mit Trittfallen, Kobras, Skorpionen und Mumien gespickt. Jedes Dungeon und in der Regel auch jeder der bis zu drei Unterabschnitte pro Kapitel wartet dabei mit neuen Gegnertypen, Gameplayideen und Umgebungen auf. Obnun Fließbänder, schwebende Plattformen, zu überwindende Höhenunterschiede, versteckte Risse in Wänden, die es zu sprengen gilt – in der Regel bietet jedes Kapitel kleine neue Herausforderungen.

Weitere Kapitel lassen einen in andere Epochen der Weltgeschichte und an unterschiedlichste reale und fiktive Orte reisen: Unter anderem geht es in eine prähistorische Eiswelt, die von Höhlenmenschen, Bären und Schneekreaturen besiedelt wird; in den wilden Westen, wo die Einwohner dem Goldrausch verfallen sind und in gefährlichen Minen nach ihrem Glück suchen; und ins alte Venedig in die Zeit von Leonardo da Vinci, der gerade dabei ist, die Mona Lisa zu malen und dieser auf Mikes Hinweis hin einen hippen Haarschnitt verpasst. Im alten England jauchzen die Thronwachen von König Arthur nach Donuts und Kaffeepausen, bevor man als neuestes Mitglied der Ritter der Tafelrunde auf Drachenjagd geht. Ebenfalls reist Mike unfreiwillig nach Transsylvanien, mit allen nur erdenklichen klischeehaften Gruselgegnern gespickt - nur Dracula persönlich wird im eigenen Verließ schmerzlich vermisst. Vielleicht ist aber auch nur einer der Belmonts aus Konamis Castlevania-Reihe unserem Mike zuvor gekommen...

Gameplaymäßig wurden leider einige Verschlimmbesserungen gegenüber dem Vorgänger eingeführt: Auf den ersten Blick mag es wie eine Revolution erscheinen, dass sich Mike in den Actionabschnitten nun nicht mehr auf einem feldbasierten, schachbrettartigen Gitter bewegt, sondern sich nun frei in alle Richtungen manövrieren lässt und auch entsprechend in 8 Richtungen schießen kann. Dieser erste Eindruck erweist sich jedoch alsbald als Trugschluss: Denn die Dungeons sind weiterhin so designt, als würde sich Mike nach wie vor wie im ersten Teil steuern lassen. In Konsequenz werden insbesondere diverse Sprungpassagen zur Farce, da jeder Sprung exakt kalkuliert werden will, um nicht in den sofortigen Tod hinein zu hüpfen oder gar zu laufen – was im Vorgänger aufgrund eines automatischen Stopps vor Abgründen sowie stets gleich langen Sprüngen größtenteils ausgeschlossen war. So aber haben insbesondere Diagonalsprünge das Potential, den Spieler dazu zu animieren, sich mit voller Hingebung der Sportart Controllerweitwurf zu widmen.

Auch wirkt das Kampfsystem im Vergleich zum ersten Teil der Zelda-Reihe noch immer eher hölzern, da sich Mike doch sehr viel unbeweglicher anstellt als ein gewisser Link. Dies führt des Öfteren zu einer Reihe von oftmals billigen, aufeinander folgenden Treffern, denen man quasi hilflos ausgesetzt ist. Daher ist es elementar wichtig, dass man die Bewegungs- und Angriffsmuster jedes einzelnen Gegnertyps kennt und einstudiert hat. So sollte man die früh im Spiel auftretenden Igel etwa stets aus diagonalem Winkel angreifen, da sie bei direktem Blickkontakt mit einer Rollattacke auf Mike zugeschossen kommen. Leider ist es manchmal beim Wechsel von dem einen in den nächsten Screen völlig egal, wie sehr man sich auf die nächste Herausforderung vorbereitet, da man teilweise unweigerlich in bereits vorhandene Gegner im neuen Screen hineinläuft. Faires Gameplay sieht anders aus.

Ein weiteres Gameplaytechnisches Manko: Gegner sind oft um ein Vielfaches so schnell wie Mike unterwegs und aufgrund der fehlenden Unverwunderbarkeitsphase nach einem eingesteckten Treffer in der Lage, einem wie oben bereits erwähnt innerhalb von Sekunden durch wiederholte Berührungen den Garaus zu machen. Teilweise sorgt auch die gefühlt nicht immer akkurate Kollisionsabfrage für unnötigen Frust, etwa wenn man widerholt einen Gegner per Wurfgeschoss verfehlt, obwohl dieses eigentlich allen Regeln der Physik nach hätte treffen müssen. Die teils schrecklichen Soundeffekte für Projektile jeglicher Art machen diesen Umstand nicht gerade erträglicher.

In den Actionpassagen ist auch die - für heutige Verhältnisse - zu geringe Item-Droprate bei besiegten Widersachern nicht unproblematisch. Insbesondere auf Energie spendende Herzen hofft der Spieler in der Regel vergeblich. Dies ist insbesondere mit den teils recht unbarmherzigen Rücksetzungspunkten ein Problem und nach Verbrauch eines vollen Continues (derer es allerdings unendlich viele gibt), sind Dungeons sogar komplett von vorne durchzuspielen.

Aber nicht alles ist schlecht: StarTropics II bietet solide Actionkost und kann mit einigen klugen Rätseln überzeugen, die sogar die Geschehnisse aus den Oberweltpassagen mit den Dungeons verbinden. Sowohl die Oberwelt, die Actionpassagen als auch die eine oder andere Storysequenz sind dabei grafisch auf höchstem NES Niveau. Allerdings wirkt Zoda’s Revenge aufgrund der gewählten matteren Farbpalette weniger lebendig als sein farbenfroher Vorgänger.

Generell motiviert Mikes Zeitreise trotz der gelegentlichen Frustmomente durchgehend, da sich mit jedem erfolgreich absolvierten Dungeon - inklusive Überwinden eines herausfordernden Endbosses - ein echtes Erfolgserlebnis einstellt. Gefühlt sind die Entwickler zum Ende des Spiels aber etwas faul geworden. Dies zeigt sich etwa an Oberweltpassagen mit immer weniger Inhalten und fehlenden Endgegnern, dafür aber mit hohem Anteil an immer gleichen Action-Passagen, die fast schon Random Encounters in Rollenspielen gleichen. Ebenfalls häufen sich in den späteren Kapiteln große, aber leere Räume, die lediglich mit einer Menge Widersachern gefüllt sind, ohne Puzzles, Rätsel oder Sprungpassagen. Solche Räume hatte es im ersten Teil in dieser Häufigkeit nicht gegeben. Auch weckt die Rückkehr nach C-Island aus dem ersten Teil gegen Ende des Spiels zwar nostalgische Gefühle, das erste Dungeon des Vorgängers ist mit der vollen Ausrüstung als Finale des zweiten Spiels aber nur noch bedingt herausfordernd. Mit Ausnahme eines unsäglichen Bossrush vor dem letzten Endgegner, der wohl eher künstlich die Spielzeit strecken sollte als noch einmal etwas Neues zu bieten.

Die musikalische Untermalung des Geschehens schwankt je nach Passage zwischen unerträglicher Kakophonie und absolut genialen 8-Bit-Chiptunes. Insbesondere ein Stück aus den Actionpassagen pusht den Spieler und weckt den Abenteurer in ihm. Allerdings fällt ein Remix des altbekannten und ikonischen Dungeon-Themes des Erstlings, das im oben erwähnten C-Island Dungeon erklingt, im Vergleich eher mau aus. Bei den Soundeffekten fällt leider insbesondere das nervige Piepen bei niedriger Energie auf - ein Zustand, an den man sich in vielen kniffligen Passagen aufgrund des doch recht hohen Schwierigkeitsgrades dauerhaft gewöhnen muss.

Alles in allem ist StarTropics II aber ein durchaus spielenswerter Titel, auch wenn ihm der Ruf anhaftet, mit seinen umstrittenen Designänderungen gegenüber dem Vorgänger die seinerzeit junge Serie abgeschafft zu haben. Für sich allein genommen ist Zoda’s Revenge trotzdem ein solides Action-Adventure, dessen größtes Makel es ist, nun mal nicht so gut wie das Original zu sein.


Wertung


7/10

Kommentare



Phil
Vorsicht! Höchste Frustresistenz ist Voraussetzung, wenn man sich tatsächlich komplett durch Zoda’s Revenge kämpfen möchte. Ich empfehle daher etwa die Virtual Console Neuauflage auf der WiiU, die dank Quick-Save-Funktion dem Schwierigkeitsgrad zumindest etwas die Schärfe nimmt. Ebenfalls bewiesen hat sich der Einsatz von Kartenmaterial, insbesondere für spätere Dungeons, um unnötigen Frust zu vermeiden. Die Actionelemente sind bereits herausfordernd genug, als dass man sich noch mehr Random Encounter Sequenzen aussetzen möchte, als ohnehin notwendig. Ebenfalls wird man es sich kaum erlauben können, seltene wie in der Regel bitter nötige magische Tränke zu verpassen, deren regenerativen Eigenschaften durch Dr. Jones eindeutig nachgewiesen werden konnten. Solltet ihr den Abspann ohne Einsatz dieser oder weiterer Hilfsmittelchen tatsächlich zu Gesicht bekommen, verleihe ich euch gerne „Phils Orden für besondere Gamerleistungen“.