Monster in My Pocket
von Phil
11.03.2013
Zu Beginn der 90er Jahre kam die Firma Morrison Entertainment Group mit ihrer Spielzeugfranchise Monster in My Pocket (MiMP) auf eine geniale Idee: Kinder mögen Monster. Kinder mögen grelle, bunte Farben. Kinder mögen Gummifiguren... Und Kinder lieben sinnlose Sammeleien, die ihren seelengeplagten Eltern in der Regel ein Heidengeld kosten! Der Plan, mit quietschbunten Taschenmonstern mit Anleihen aus Fiktion, Religion und Mythologie ordentlich Reibach zu machen, konnte also nur aufgehen. Der Erfolg ebendieser Figuren löste nicht allzu viel später eine Merchandisewelle aus, die unter anderem Comics, Sammelkarten und Bücher zu Tage förderte. Ebenfalls nicht fehlen durfte da natürlich eine Versoftung für Nintendo erfolgreiche Heimkonsole, für die sich Konami verantwortlich zeichnete (ja, Palcom war lediglich eine europäische Distributionsmarke von Konami). Mit einer Mischung aus Plattformer und Beat’em Up konnte man den Nerv der Zeit eigentlich nicht verfehlen.
Die Story des Spiels darf man getrost vergessen: Die Protagonisten Vampir und Monster (Frankensteins Monster, um genau zu sein) sitzen gerade gemütlich vorm typischsten aller Röhrenfernseher der späten 80er, als ihnen auf dem Bildschirm plötzlich der finstere Hexenmeister erscheint. Ihr anscheinender Erzfeind fordert die beiden ohne ersichtlichen Grund zum Kampf auf, auf den sich die gelangweilten Couchpotatoes natürlich ohne mit der Wimper zu zucken einlassen. Sehr tiefgründig das Ganze also, und so sinnfrei, wie man es von einem Titel der Epoche dieses Machwerks nur erwarten darf... warum nur kommen Storywriter aktueller Videospiele nicht mehr auf derartige Geistesblitze? Das würde Spielern aktueller Konsolen vermutlich die eine oder andere minutenlange, nervtötende Cutscene ersparen…
Jedenfalls startet sodann das Abenteuer, in das man sich entweder allein oder zu zweit stürzen kann. Großartig Gedanken machen muss man sich über die Charakterauswahl jedoch nicht, da sich Vampir und Monster in all ihren (beschränkten) Fähigkeiten gleichen. Beide laufen gleich schnell, springen gleich hoch (und wenn es sein muss, auch ein zweites Mal in der Luft per Doppelsprung), können sich ducken und lassen als Angriff die Fäuste fliegen. Dies ist für das simple und auf Action ausgerichtete Gameplay allerdings allemal ausreichend. So wird man stets von allen Seiten von feindlichen Monsterhorden angegriffen, die man in der Regel mit einem oder zwei Fausthieben außer Gefecht setzt, um sich dann weiter Richtung Bossversteck zu bewegen. Das Heldenduo scheint dabei nicht nur bei besagtem Hexenmeister unbeliebt zu sein, auch zahlreiche andere Kreaturen aus dem MiMP-Reich haben es auf die beiden abgesehen. Wie bereits erwähnt, geben sich nicht nur klassische Vertreter der Horrorfiktion wie Goblins, Hexen und Dämonen die Ehre, sondern auch diverse Kreaturen aus Mythologie (Minotaurus) und Urzeit (T-Rex) sind sich für eine Tracht Prügel nicht zu schade.
Neben dem normalen Angriff lassen sich auch hin und wieder Schlüssel oder Schrauben aufheben und als durchschlagkräftiges Wurfgeschoss missbrauchen. Diese Items sind eher selten, ihr Einsatz ist in Anbetracht der hohen Anzahl an Gegnern, die ohnehin nach einer einzigen schallenden Ohrfeige erledigt sind, aber ohnehin nicht sonderlich sinnvoll. In späteren Levels, in denen auch mit etwas zäheren Kontrahenten zu rechnen ist, können einem solche Wurfobjekte jedoch kurzzeitig das Leben erleichtern. Wobei man in der Regel recht schnell feststellen wird, dass man diejenigen Gegner, die nicht nach einem Fausthieb erledigt sind, besser ignoriert – denn Davonzulaufen ist in der Regel energieschonender, da weitere feindlich gesinnte Monster stets über den Bildschirm verteilt in Sekundenschnelle respawnen. Da kommt es einem gelegen, dass wirklich alle paar Meter ein paar Herzen eingesammelt werden können, die einen weiteren von maximal fünf Treffern zugestehen.
Highlights jeder der insgesamt sechs Stages sind zweifellos die Endgegner. In bester NES-Manier müssen deren Bewegungs- und Angriffsmuster studiert werden, um entsprechend die eigene Angriffs- und Verteidigungsstrategie anzupassen. Für geübte Spieler dürften die Obermotze dennoch keine allzu große Herausforderung darstellen. Dies liegt vor allem auch daran, dass man nach Ableben nicht wie in vielen Genrevertretern bei einem willkürlichen Rücksetzpunkt erneut starten muss, sondern immer gleich an Ort und Stelle weiterprügeln darf. Lediglich wenn auf eines der genügend vorhandenen Continues zurückgegriffen werden muss, startet man erneut am Anfang des jeweiligen Levels. Dies nimmt dem ohnehin nicht hohen Schwierigkeitsgrad weitere Schärfe, sodass MiMP auch für Anfänger sehr zugänglich ist.
Wie man es von Monstern im Hosentaschenformat erwarten würde, wird man durch das Leveldesign hin und wieder daran erinnert, dass die Spielfigur nur um die fünf Zentimeter groß ist. So kämpft man sich beispielsweise durch eine Küche, in der selbst herumliegender Käse und Äpfel riesig erscheinen, und auch rollende Golfbälle drohen einen in der Nähe der Kanalisation regelrecht zu zerquetschen. Es sei an dieser Stelle aber gesagt, dass das Konzept "kleine Figur in einer großen Welt" in Capcoms Chip ‘n Dale - Rescue Rangers deutlich überzeugender und detailverliebter umgesetzt worden ist. Alles in allem wirken einige der Levels in MiMP eher austauschbar und man wird sich auch kaum an besonderes Design der einen oder anderen Welt zurückerinnern.
Auch innovative Elemente und Abwechslung im Gameplay und Leveldesign sucht man vergeblich. Das höchste der Gefühle sind noch eine Art Bootsfahrt auf einer durch die Kanalisation schippernden Getränkedose (vom Dosenpfand war in den 90ern noch keine Rede) und das Hinablaufen einer Rampe, die einen kurzzeitig derart beschleunigen lässt, dass man meint, mit einem gewissen blauen Igel durch die Green Hill Zone zu flitzen. Ansonsten bietet der Titel die übliche Kost, wie etwa sich hebende und wieder absenkende Plattformen – ihr ahnt es: das Spiel bietet nichts, was man so nicht schon, in ausgereifterer Form, in anderen Titeln gesehen hätte. Denn es sei erwähnt, dass ihr in MiMP teilweise auch auf unfaire Stellen stoßt. Etwa die endlos respawnenden Widersacher erscheinen manchmal direkt vor dem Protagonisten, wodurch ein Zusammenprall unausweichlich scheint. Und auch der Doppelsprung will nicht immer reibungslos von der Hand gehen – im besten Fall wird einem dies nur ein bisschen Energie stehlen. Im schlimmstem Fall kostet dies jedoch vor allem eins: Nerven. Denn einige Abgründe sind nur mit dem Doppelsprung zu überwinden. Entsprechend wenig unterhaltsam ist es, wenn man mitten in der Luft feststellt, dass der Held partout nicht zum zweiten Sprung ansetzen will. Des weiteren erleiden die Spielfiguren bei Gegentreffern Rückstöße á là Castlevania, die einen in Nähe von Abgründen durchaus auch mal in die ewigen Jagdgründe schicken und somit für weitere Instant Deaths sorgen. Fairerweise muss man aber sagen: Ganz so problematisch wie in Konamis Vampirjagd ist dies bei MiMP aufgrund der spielerfreundlicheren Levelstruktur und der etwas geschmeidigeren Steuerung nicht.
Die Jagd nach einem möglichst beeindruckenden Highscore gestaltet sich übrigens nicht sonderlich motivierend, ab einer gewissen Punktzahl erhält man jedoch immerhin Extraleben. Interessant für Liebhaber der Originalfiguren (falls es diese noch geben sollte) ist allerdings die Tatsache, dass das Punktesystem im NES-Spiel an das Punktesystem der Originalfiguren angelehnt ist – diese hatten auf dem Rücken jeweils einen Wert vermerkt, den man gutbeschrieben bekommt, wenn man den jeweiligen Gegnertyp auf dem Bildschirm besiegt.
Unter grafischen Gesichtspunkten erweist sich MiMP als zweischneidiges Schwert: Einerseits begeistert der Titel durch teils schöne und detaillierte Sprites, insbesondere bei der Charakterauswahl, und auch die Hintergründe sind nett anzuschauen. Andererseits sorgt die ab und an skurrile Farbwahl nicht gerade für den graziösesten Anblick unter den NES Spielen – ein oftmals im grässlichsten Grünton gehaltener, um die Statusleiste ragender Rahmen schafft da auch nicht gerade für Abhilfe. Für weitere technische Abzüge in der B-Note sorgen aufgrund des hohen Gegneraufkommens fast durchgängig flackernde Sprites und – in späteren Levels – gelegentliche Einbrüche der Framerate. Darüber hinaus sind einige der Gegner nur mit viel Wohlwollen und einer gehörigen Portion Wissen über die Spielzeugfranchise identifizierbar. Zu guter Letzt seien auch die leicht trottelig anmutende Bewegungsanimationen der Protagonisten erwähnt, wobei diese schon fast wieder als Pluspunkt gesehen werden dürfen, da sie unfreiwillig beim Spieler für Schmunzeln sorgen.
Auch soundtechnisch ist der Titel regelrecht durchschnittlich. Die Kompositionen sind bis auf wenige Ausnahmen wenig einprägsam und fallen weder sonderlich positiv noch negativ auf. In dieser Hinsicht hatte Konami schon größere Taten auf Nintendos 8-Bitter vollbracht. Die Soundeffekte sind für NES-Verhältnisse hingegen überraschend hochwertig: Seien es die gequälten Schreie besiegter Endbosse oder das schallende Geräusch der zahlreich ausgeteilten Ohrfeigen – die Geräuschkulisse ist durchgehend als wuchtig zu bezeichnen!
Alles in allem bietet MiMP jedoch keinen ausgeprägten Wiederspielwert: Es gibt nichts freizuspielen, keine weiteren Schwierigkeitsgrade oder alternative Routen innerhalb der Levels und auch beide spielbaren Charaktere sind wie bereits erwähnt bis aufs Aussehen komplett identisch. Da man sich aber auch zu zweit im Coop-Modus durch die Horden an Taschenmonstern prügeln darf und der Titel sich in weniger als einer Stunde durchspielen lässt, lädt er doch zumindest auf die eine oder andere schnelle Runde ein.
Für Sammler sei noch erwähnt, dass der Titel seinerzeit zusammen mit einer Monsterfigur ausgeliefert wurde, die sich in der Originalverpackung des Spiels befand. Eine wirklich komplette Kopie von MiMP ist somit nicht unbedingt ohne Weiteres aufzutreiben.
Wertung
6/10
Kommentare
Phil
Auch ich bekam zu Kindeszeiten einst ein paar Taschenmonster zum Geburtstag geschenkt, ohne zu wissen, worum es sich bei der Serie eigentlich handelt. Diese treiben heutzutage vermutlich in irgendeiner Kiste auf einem Dachboden ihr Unwesen oder, noch wahrscheinlicher, sie sind irgendwann im gelben Sack gelandet und somit dem grünen Punkt zum Opfer geworden ;-) Große Kindheitserinnerungen verknüpfe ich mit der MiMP-Franchise also nicht und so bleibt der NES-Ableger für mich ein Titel, der aufgrund seiner Durchschnittlichkeit nicht aus der Masse von Spielen für das System hervorsticht.
Yamato
Streng genommen ist es fast schon eine Frechheit, wie schnell man mit diesem Spiel fertig ist. Geübte Spieler werden es in einem Rutsch durchspielen und ca. 90 Minuten bis 2 Stunden dafür brauchen. Für einen NES-Titel von 1992 ist das schon sehr mager. Leider gibt es kaum einen Grund, das Modul später noch mal hervorholen, da sich die 2 spielbaren Figuren absolut gleich spielen und der Spielverlauf derselbe ist. Einzig der 2-Spieler-Modus wertet das Modul in Sachen Langzeitspielspaß etwas auf. Grafik und Sound sind für Konami-Verhältnisse solide, aber es bleibt nach dem Durchspielen kaum etwas davon im Gedächtnis hängen. Die Steuerung fühlt sich manchmal leider etwas hakelig an. Positiv hervorzuheben sind die Endgegner, da es Spaß macht, die Strategien herauszufinden und zu versuchen, einen Endkampf ohne Gegentreffer zu überstehen.